Schöner telefonieren?

Auf der Suche nach einem neuen, 5G- und dual Sim-fähigen Smartphone stiess ich, eher zufällig, auf das Fairphone 4. Es handelt sich um das Produkt einer niederländischen Firma, die seit ca. 10 Jahren Smartphones mit möglichst viel fair gehandelten Rohstoffen bauen will, die ausserdem besonders leicht zu reparieren sind. Eine Rückseite aus recykliertem Kunststoff ist da wohl eher symbolisch zu verstehen. Alle wichtigen Ersatzteile (Akku, Display, Kameramodul usw.) und Softwareupdates für das mitgelieferte Android werden für mindestens 5 Jahre versprochen (dies wurde bei den bisherigen Modellen auch eingehalten bzw. überboten).

Nachtrag: Es gibt mittlerweile auch weitere Hersteller modularer, fairer Smartphones, wie z B. Shiftphone in Deutschland.

Da Nachhaltigkeit für mich ein wichtiges (und interessantes) Thema ist, entschloss ich mich zum Kauf. Ich bestellte das Gerät und etwas Zubehör direkt beim Niederländischen Hersteller. Preislich war das deutlich attraktiver als ein Kauf bei den Schweizer Retailern vor Ort. Die Lieferzeit betrug ca. 5 Wochen, da das Modell noch ziemlich neu ist und die Produktion anscheinend unter den aktuellen Engpässen in der Elektronikindustrie leidet.

Das Gerät entspricht mit seinen Spezifikationen der aktuellen „oberen Mittelklasse“, und da ist auch der Preis angesiedelt (ca. 540 EUR mit 256 GB Speicher). Der Formfaktor ist gängig, wobei sowohl das Gewicht als auch die Dicke des Gerätes mit fast 1 cm etwas über dem Gewohnten liegt. „Chunky“ würde man vielleicht auf Englisch sagen. Für Leute mit kleinen Händen (oder einer Abneigung gegen ausbeulende Taschen) nicht unbedingt optimal. Ich persöhnlich mag es, wenn solch ein Gerät „handfest“ daher kommt. Es wirkt robuster (was natürlich de facto gar nicht so sein muss), und dient notfalls auch als kinetisch wirksames Wurfgeschoss…

Das Fairphone 4 ist sehr modular aufgebaut. Zum Zerlegen genügt ein kleiner Schraubendreher.

Was genau ist nun „Fair“ an diesem Phone? Dazu gab es in den letzten Monaten zahlreiche Berichte in den Medien, z.B. hier oder hier. Das Review auf Watson fasst eigentlich alles gut zusammen. Wenn man glaubt, was geschrieben wird, ist es sicher fairer hergestellt als ein Smartphone eines chinesischen Billig-Labels. Nachhaltig(er) wird es dann erst durch eine entsprechend lange Nutzungsdauer.

Apples iPhones sind ihrerseits bekannt für gute Haltbarkeit, Ersatzteilversorgung, und langjährige Software-Updates. Wir haben noch zwei iPhone 6 im täglichen Gebrauch, und, abgesehen vom mickrigen eingebauten Speicher, erfüllen sie nach ca. 6 Jahren (und einem Akkutausch) immer noch unsere Anforderungen vollständig. In Bezug auf die Rohstoff-Quellen und Entlöhnung der asiatischen Fabrikarbeiter kann man hier Zweifel haben. So genau wissen wir es nicht, aber in dem Bereich bietet das Fairphone aus rein praktischen Gründen der Machbarkeit wohl auch nur eine „graduelle“ Verbesserung, aber immerhin. Anderes Beispiel: Ein Samsung Galaxy J7 Duo von 2017 (inzwischen mit einem originalen Ersatz-Display von Aliexpress) wurde immerhin Mitte 2021 mit einem Sicherheitsupdate für das irgendwann nachgelieferte Android 9 versorgt. Das Teil ist also auch heute noch halbwegs brauchbar.

Gut, grundsätzlich sollte ein (doch meist ziemlich teures) Telefon deutlich länger als 4 Jahre benutzbar sein – selbst wenn heutige Smartphones eigentlich kleine Notebook-Computer sind, mit denen man halt auch telefonieren kann, wenn man unbedingt will. Aber hier versucht die Industrie natürlich, durch ständige (pseudo-) Innovation den Bedarf nach immer neuen Modellen aufrecht und den Absatz möglichst hoch zu halten. Ressourcenmässig ist es allerdings der blanke Wahnsinn, buchstäblich Milliarden von funktioniernden Endgeräten jedes Jahr zu ersetzen…

Insofern scheint mir der Ansatz, das Geschäftsmodell mehr auf Nachhaltigkeit und faire Herstellung auszurichten, sehr vernünftig. Ein Fairphone allein kann die Welt nicht retten. Aber es ist, im Prinzip, ein Schritt in eine bessere Richtung…

Nachhaltigkeit bei Consumer-Produkten fängt im Kopf des Konsumenten an!

Edmund Bünting

Abgesehen davon ist die nachhaltigste Strategie im Umgang mit Elektrogeräten aller Art natürlich immer, diese so lange wie irgendwie möglich zu verwenden. Das bedeutet, bereits beim Kauf auf Robustheit, Reparierbarkeit und langfristige Hersteller-Unterstützung zu achten. Und natürlich vorher gut zu überlegen, ob man das spezielle Gerät tatsächlich braucht 😉

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