Schwarzfahrer

Billig-Navi aus China – legal, illegal, scheissegal?

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Wieder einmal habe ich beim Chinamann ein billiges Gadget aufgestöbert, ein Navigationsgerät für’s Auto für ca. 20 bis 30 CHF. Ein echtes No-Name Produkt mit angeblich aktueller Karte und lebenslangem kostenlosen Kartenupdate. Was kann so ein Teil? Ist das überhaupt brauchbar? Schauen wir es uns einmal an…

In der relativ neutralen, ausreichend ausgepolsterten Verpackung befand sich das Navi, ein einfacher aber brauchbarer Scheibenhalter, ein Stromkabel für den Zigarettenanzünder und ein kurzes USB Kabel zum Anschluss an einen PC. Dazu gab es eine 30-seitige, englische Bedienungsanleitung, die durchaus lesbar und nützlich ist.

Das Gehäuse macht einen recht soliden Eindruck, wie man es auch von einem Markengerät erwarten würde. Es verfügt über einen Micro-SD Karteneinschub, eine 3,5 mm Klinkenbuchse, einen USB Anschluss vom Typ B „mini“, sowie einen Ein/Ausschalter, einen versenkten Resett-Knopf und einen Lautsprecher auf der Rückseite. Das LCD-Display ist mit einer berührungssensitiven Folie bezogen (sog. resistiver Touchscreen). Das ist billiger als ein kapazitiver Touchscreen (wie bei heutigen Smartphones), kann aber auch Vorteile haben (allerdings weniger im Auto…). In der beiliegenden Benutzeranleitung erfährt man, dass das Gerät eine Auflösung von 480 x 800 Pixeln hat. Es kommt mit Windows CE 6.0 als Betriebssystem. Nach dem Einschalten findet man sich auf einer klicki-bunti-Oberfläche im Stil der 2000er Jahre wieder, auf der sich verschiedene, in diesem Fall aber eher nutzlose Progrämmchen befinden (Video- und Audioplayer, Taschenrechner, kleine Spiele), diverse Einstellungstools – und natürlich die Navigationssoftware. Diese heisst iGO Primo und stammt aus dem Jahr 2014.

Sowohl beim Windows CE (wobei Version 6 seit 2018 nicht mehr durch Microsoft unterstützt wird) als auch bei der Navigationssoftware kann man sich fragen, ob der chinesische Hersteller des Gerätes über die nötigen Lizensierungen verfügt. Jedenfalls wurde auf der Produktseite im chinesischen Online-Shop WinCE mit „zusammenzucken“ übersetzt, was zwar irgendwie passend erscheint, aber nicht gerade technische Kompetenz (der Übersetzungssoftware) demonstriert.

Windows CE 6 befindet sich im Status „End of License„, was auch immer das bedeutet. Im einfachsten Fall kann man keine neuen Lizenzen mehr kaufen, bestehende Lizenzen gelten vermutlich aber weiterhin, d.h. es handelt sich nicht automatisch um „freie“ Software.

Fakt ist, dass bei dem China-Produkt die verwendeten Software-Lizenzen an keiner Stelle erwähnt bzw. dokumentiert sind. Es gibt auch kein „End User License Agreement“ (EULA) oder etwas ähnliches. Bei einem hiesigen Markenprodukt sieht das beispielsweise so aus. In der Schweiz scheint die private Nutzung raubkopierter Software im Übrigen aber immer noch erlaubt zu sein.

Eine weitere fragwürdige Eigenschaft des Gerätes besteht darin, dass es anstelle der Sprachausgabe über den eingebauten Lautsprecher auch das Autoradio verwenden kann – nämlich über einen eingebauten FM Transmitter. Die wählbare UKW-Frequenz beträgt 76 bis 108 MHz. Erlaubt in Deutschland und der Schweiz sind UKW-MInisender (max 50 nW) im Bereich 87,5 bis 108 MHz. Es macht natürlich wenig Sinn, die Frequenzen unter 87,5 MHz zu verwenden, wenn man nicht auch ein Radio hat, das (unerlaubter Weise…) dort etwas empfangen könnte. Da die Frequenzen zwischen 76 und 87,5 MHz für Behörden-Funkdienste (in Deutschland u.a. Polizei, Eisenbahn und Militär, Notfallalarmierung, Sirenensteuerung usw.) reserviert sind, ist der Betrieb von „Störsendern“ verständlicherweise verboten. Inwieweit das auch für den blossen Besitzt solcher Geräte gilt, weiss ich nicht, aber ich denke da verstehen die Behörden im Zweifelsfall keinen Spass.

Nicht zuletzt deswegen gilt auch, dass solche FM-Transmitter (zumindest in Deutschland) zwingend ein CE Kennzeichen haben müssen, ansonsten ist der Betrieb strafbar. Die chinesischen Hersteller sind mit dem Aufdruck der Buchstaben C und E sehr grosszügig, ohne wirklich eine CE-Konformitätsbestätigung der EU vorzulegen. Das chinesische CE Logo sieht nicht immer ganz genau gleich aus und bedeutet eigentlich auch nur „China Export“.

Zufälliger Weise wird ein mehr oder weniger baugleiches Gerät über eine rumänische Firma vertrieben, welche dafür auch eine EU-Konfomitätserklärung vorlegt. Das ist an sich auch nicht weiter schwierig, da die EU-Konformität generell nicht unabhängig geprüft, sondern vom Hersteller selbst deklariert wird. Missbrauch, vor allem auch innerhalb Europas, ist also vorprogrammiert.

In der Schweiz wird das CE Kennzeichen bei Elektrogeräten nicht zwingend verlangt – sofern stattdessen das Schweizer Konformitätskennzeichen CH verwendet wird. Unklar ist mir, ob das auch für den Kauf im Ausland durch Privatpersonen gilt. Der Käufer ist aber gleichwohl verantwortlich dafür, dass die geltenden Vorschriften eingehalten werden. Das wiederum dürfte für die meisten Leute eher schwierig werden. Spätestens wenn ein Gerät auf der Schwarzen Liste des BaKom erscheint, muss beim Betrieb mit einer Strafanzeige und einer Busse gerechnet werden. Mitunter zieht bereits der Zoll nichtkonforme Geräte aus dem Verkehr, worauf schon eine Busse durch das BaKom fällig werden kann.

Weitere Clone oder enge Verwandte dieses China-Navis finden sich hier oder auch hier. Dass es baugleiche oder ähnliche Geräte gibt oder gab, die auch unter bekannten Markennamen (Grundig) vertrieben wurden, spricht vielleicht dafür, dass der Hersteller über globale Softwarelizenzen verfügt und auch die EU-Konformitätsstandards weitgehend einhält. Die Wahrscheinlichkeit dafür dürfte mindestens so gross sein wie diejenige, dass deutsche Autohersteller stets die Abgasnormen von Dieselfahrzeugen einhalten…

Aber was kann das Teil nun? Erste Praxistests zeigen, dass es tatsächlich ganz gut funktioniert, auch wenn die Oberfläche und die Bedienung etwas antiquiert daher kommt. Der resistive Touchscreen erfordert einen spürbaren Druck bei der Eingabe mit dem Finger. Man gewöhnt sich schnell daran, mit dem Daumen zu drücken und mit den Fingern von hinten gegenzuhalten – ansonsten verdreht sich das Gerät im Halter. Dafür sollte es aber nicht zu weit vom Fahrer entfernt sein.

Routenführung, Ansage (auf Deutsch) sowie Routen-Neuberechnung funktionieren in der Praxis ausreichend gut – besser als bei meinem Garmin Motorrad-Navi Zumo (das ist aber auch schon über 10 Jahre alt). Das hatte übrigens auch einen resistiven Touchscreen, weil Motorradfahrer meistens Handschuhe tragen.

Worauf man allerdings verzichten muss, ist irgendeine Echtzeit-Verkehrslageninformation (TMC). Es ist auch nicht möglich, ein anderes Gerät (Smartphone) über Bluetooth zu koppeln (und allenfalls darüber Verkehrsmeldungen zu beziehen). Das bedeutet, dass man wie früher die Staus so nehmen muss wie sie kommen – bei längeren Reisen kann das ganz schön nervig werden.

Woher nun eigentlich die Karte kommt, wie oft es dann wirklich updates gibt (angeblich jährlich) und ob das alles mit legalen Dingen zugeht – es gibt ja auch kostenlose Karten von OpenStreetMap – bleibt unklar. Selbst ich habe es vor 15 Jahren schon geschafft, mithilfe handgestrickter Tools aus dem Internet OSM-Karten für mein damaliges Garmin eTrex Handheld Navi aufzubereiten und auf dem Gerät zu speichern (und mir damit den Kauf der relativ teuren Garmin-Karten gespart). Das war völlig legal. Aber klauen ist im Zweifel noch einfacher, und da es im Navi auch statistische Daten zur Verkehrsdichte nach Uhrzeit und Wochentagen gibt, kann man annehmen, dass es sich nicht um „freies“ Kartenmaterial handelt. Im Lizensverzeichnis der Kartensoftware finden sich verschiedene Lizensschlüssel, von denen einer „Garmin“ im Namen trägt…

Tja, lohnt es sich nun, so ein Teil zu kaufen, auch wenn man die juristischen Fragen einmal ausser acht lässt? Wenn man überlegt, dass die aktuellen Einsteigermodelle der Markenhersteller bereits ab unter 100 CHF zu haben sind, und man andererseits bei Verwendung einer Navi-App auch sehr gut mit dem Smartphone bedient ist, wird es schwierig, ein Alleinstellungsmerkmal zu finden oder einen richtigen Vorteil aus diesem Gerät zu ziehen. Es ist nicht unbrauchbar und wirkt auch nicht, als wenn es gleich auseinander fällt. Wenn jemand sehr wenig Geld hat (oder sehr geizig ist) und kein Smartphone besitzt, dann wird er dieses Gerät möglicherweise lieben. Alle anderen können sich genauso gut (und gerne für denselben Preis…) einen Smartphone-Halter für ihr Auto kaufen. Mit Daten-Flatrate wird selbst Google Maps zur interessanten Alternative, Dank Echtzeit-Verkehrsmessung durch Googles Android-Services…

In Anbetracht der hohen Rücksendekosten bleibt „Garantie“ für das China-Navi eine eher hypothetische Option (falls es überhaupt eine solche gibt, vom Verkäufer erfährt man darüber nichts). Systemupdates kann man angesichts der veralteten Software getrost vergessen. Gleichwohl tut das Teil was es soll, und gar nicht mal schlecht. Nachhaltigkeit sieht aber irgendwie anders aus – wobei auch Markenhersteller hier oft noch reichlich Luft nach oben haben.

Am Ende muss jeder selbst wissen, ob es sich wegen so einem Teil lohnt, hier den Willhelm Tell zu machen. Wenn dann tatsächlich mal ein böser Vogt (in Gestalt eines fachkundigen Ordnungshüters) eine Busse oder gar eine Strafanzeige verhängt, dann ist das zwar ein guter Stoff für Blick & Co. Beim Betroffenen dürfte das aber für Verdruss sorgen. Denn der zunächst „gesparte“ Betrag (der Ladenpreis der Grundig-Version lag seinerzeit zuletzt auch nur bei ca. 50 EUR) dürfte sich angesichts der Folgekosten ziemlich schnell relativieren…

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Ein Gedanke zu “Schwarzfahrer”

  1. Ok, ich fasse nochmal kurz zusammen für alle, die nicht so viel Text lesen wollen:
    1. Der Betrieb des Gerätes in der Schweiz wie auch in Deutschland ist illegal, wahrscheinlich auch schon der Besitz.
    2. Wenn man Pech hat, zieht bereits der Zoll das Gerät ein, vernichtet es und man bekommt in der Schweiz direkt eine Busse vom Bundesamt für Kommunikation (BaKom).
    3. Software und Technik sind mindestens seit 10 Jahren veraltet, es gibt keine Software-Updates und keine Garantie.
    4. Software sowie Kartenmaterial sind wahrscheinlich gestohlen.

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