Natürlich haben wir eine schöne Krippe mit geschnitzen Holzfiguren in tradtitionellem, nur mässig kitschigen Stil. Dass der Jesus darin am 24.12. Geburtstag hat, kann Karla bereits gut einordnen. Dass der Knabe mittlerweile aber 2021 Jahre alt wird wohl eher noch nicht.
Mir macht es jedes Jahr Spass, die Figuren zu einem Diorama aufzustellen, welches sowohl meine momentane Stimmung wiederspiegelt, als auch meiner historisch-kritischen Einstellung gegenüber dieser Legende entspricht. Dazu gehört unter anderem auch die Beleuchtung mit hartem Seitenlicht…
Es ist halt so, dass die Geburtslegende Jesu, die hier dargestellt wird, erst viele Jahrzehnte nach seinem Ende verschriftlicht wurde. Das älteste Evangelium nach Markus kennt sie offenbar noch nicht. Die Geschichte mit Stern, Engeln und weisen Königen aus dem Morgenland ist denn wohl auch kein historischer Bericht, sondern eher eine bildhafte, in Teilen fast allegorische Predigt, die den Zuhörern der Antike die Göttlichkeit Jesu schon von seiner Geburt her verdeutlichen soll. Ist davon also irgend etwas wirklich passiert? Mehrheitlich wahrscheinlich nicht. Ist sie deshalb weniger „wahr“? Nun, das kommt darauf an, was du glaubst…
Wenn ich mich heute auf diese Predigt einlasse, dann höre ich eine Geschichte über Menschen, die durch ein gänzlich unerwartetes und genauso unverständliches Ereignis aus ihrem normalen Alltag herausgerissen werden. Sie versammeln sich an einem eher unscheinbaren Ort, weil dieser sie irgendwie anzieht. Sie glauben, dass da etwas passiert, was grösser ist als sie selbst und alle menschlichen Machenschaften. Und so entsteht ein ganz spontanes „happening“, etwas, bei dem soziale Unterschiede unbedeutend werden, egal ob Handwerker, Hirte oder Edelmann. So etwas ähnliches wie ein Woodstock der Antike vielleicht, nur kleiner.
Dieser Moment der Überraschung, diese ausserordentliche Stimmung, ist für mich ein wesentlicher Teil des Weihnachtszaubers.
Ein bisschen davon spiegelt sich in unserer jährlichen Weihnachtsfeier wieder. Der normale Wochenrythmus wird ausgesetzt, überlagert von der Abfolge der drei Festtage (wobei Heiligabend unbedingt dazu gehört). Wir beschenken uns gegenseitig, und manchmal gelingt dabei eine wirkliche Überraschung. Vielleicht sind wir hier und da auch offener für andere Menschen, wünschen zumindest allerseits „Frohe Weihnachten“, und, mal mehr, mal weniger, erleben wir diese Tage als eine besondere, eine aussergewöhnliche Zeit.
So gehören für uns auch nicht nur die Geschenke zu Heiligabend dazu, sondern genauso das Sitzen am Lichterbaum, das gemeinsame Singen von Weihnachtsliedern, das Denken an Andere – und manchmal auch das Gefühl, dass es Grösseres gibt als uns selbst, und dass das, was uns umtreibt und unseren Alltag und unser Leben auszumachen scheint, vielleicht doch noch nicht alles ist…