Klare Kante?

Der Volkswagen K 70 ist ein Auto, welches bereits während seiner Bauzeit 1970 bis 1975 nicht besonders häufig war. Heute, 50 Jahre später, ist er aus dem Marken- und Formengedächtnis aller unter 40 Jährigen praktisch vollständig verschwunden. Dementsprechend gross ist das Rätselraten, wenn dann doch mal einer auftaucht. In der Warteschlange für die MfK in Winterthur sagte denn auch ein Bullifahrer zu mir: „Über den liest man öfter als man einen sieht“.

Ja, die Geschichte vom „ungeliebten Stiefkind“ aus der Ehe zwischen Audi und NSU wurde zu einem „Narrativ“, welches seit 50 Jahren regelmässig in der Motorpresse widergekäut wird. Dabei ist das, wie ich finde, gar nicht das Interessanteste an dem Wagen. Auch nicht, dass er das erste Serienmodell mit VW-Logo war, welches mit Wasserkühlung und Frontantrieb daher kam. Bei Audi gab es das längst, von den französischen Autoherstellern ganz zu schweigen. Selbst ein Ford 12 M hatte schon jahrelang Frontantrieb.

Nein, das Interessante an dem Wagen ist, wie ich finde, seine ansprechende Form. Da ist zuerst das dezente und doch eigenständige äussere Design: Die hohe Dachlinie, die riesigen Fensterflächen und die markante Seitenlinie, die nicht nur zufällig an den Ro 80 erinnert. Aber auch Details wie die Innenraum-Beleuchtung am Armaturenbrett, bei der die Lampe auch gleichzeitig der Schalter ist, oder die sechseckigen Tür-Drucktasten gefallen. Der Wagen ist bei näherem Hinsehen genauso wenig ein VW, wie ein Audi ein Opel ist. Das geht bis zum Geräusch beim Zuschlagen der Türen, dass so gar nicht nach Typ 1 oder Typ 3 klingt, auch nicht nach Golf oder Passat. Mich erinnert das eher an einen R 12, klack.

Der VW K 70 ist vielleicht die beste Limousine, die Renault nie gebaut hat.

Edmund Bünting

Und dann ist da die für die damalige Zeit phänomenale Raumökonomie im Inneren. Allein der von links nach rechts fast ebene, durchgängige Fussraum vorne macht mächtig Eindruck. Hätte der Wagen eine Lenkrad-Schaltung, könnte man vorne gut ein Dreiersofa einbauen. Aber auch in Sachen Beinfreiheit hinten und Kofferraum beeindruckt der K70. Man bedenke die Zeitgenossen: VW Typ 1 und Typ 3, Ford Escort I und Knudsen-Taunus, Opel Kadett B, Ascona A und Rekord C. Selbst eine Mercedes der Baureihe 123 nimmt einem K 70 in Bezug auf Kofferraumvolumen und Beinfreiheit nicht wirklich die Butter vom Brot.

Der K 70 ist ein Meilenstein, einer von vielen natürlich, auf dem Weg zum „Vernunftauto“ der 1980er Jahre. Aber eben einer, der das Ziel schon recht früh und ziemlich konsequent verwirklicht. Vielleicht die beste Limousine, die Renault nie gebaut hat.

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