Zurück in die Zukunft: Minimalinvasives DAB+ im Oldtimer

Die Tage des analogen Rundfunks scheinen gezählt, zumal in der Schweiz. Dort steht zu befürchten, dass Ende 2024 so ziemlich alle UKW-Sendestationen abgestellt werden. Ob das gut oder sinnvoll ist oder nicht sei einmal dahingestellt, diese Diskussion muss woanders geführt werden.

Für mich als Liebhaber von (ebenfalls) in die Jahre gekommener Autos meiner Jugendzeit stellt sich die Frage: Was tun mit dem alten Radio? Tatsächlich ist das Problem für mich gar nicht so neu, denn in meiner jüngeren Vergangenheit besass ich zwei Oldtimer (Bj. 1968 und Bj. 1973), deren mitgeliefertes Radio (noch) gar keinen UKW-Empfänger hatten. Nun kann man zwar bei schönem Wetter und unter günstigen Bedingungen womöglich noch irgendeinen Langwellen-Sender irgendwo auf der Welt empfangen, aber ansonsten herrscht bei Kurzwelle und Mittelwelle bereits seit vielen Jahren tiefes Schweigen im Äther.

Um die alten Geräte trotzdem irgendwie weiter sinnvoll nutzen zu können, bleibt hier nur, an die (hoffentlich vorhandene) DIN-Buchse auf der Rückseite ein Adapterkabel für eine alternative Klangquelle anzuschliessen, die dann möglichst dezent im Hintergrund den alten Verstärker mit Tonsignalen versorgt. Früher gab es dafür MP3-Spieler mit 3,5 mm Klinkenstecker, heute nimmt man eher ein Smartphone – falls das noch eine entsprechende Buchse hat, was aber auch immer seltener der Fall zu sein scheint.

Alternativ dazu könnte man aber auch einen DAB+ Empfänger anschliessen, um dann in Bezug auf die Konsumation von Radioprogrammen in der (nahen) Zukunft anzukommen. Diesen Weg wählte ich für meinen sehr gut erhaltenen Mercedes 230E von 1983. Ziel war, das originale und sehr schöne Cassetten-Radio „Becker Europa Kurier“ auch in 2025 weiter verwenden zu können, die moderne Technik so weit wie möglich unsichtbar zu machen und alle womöglich notwendigen optischen Freveltaten so reversibel wie möglich zu gestalten. Das folgende Bild zeigt die Mittelkonsole im Originalzustand, von dem ich mich so wenig wie möglich entfernen wollte:

MIttelkonsole eines Merceds 230 E von 1983 mit Becker Radio Europa Kurier
Die originale Mittelkonsole

Nach einiger Suche entschied ich mich für einen DAB+ Empfänger, der als Blackbox in der Konsole oder hinter einer Verkleidung verbaut werden und über ein per Bluetooth gekoppeltes Bedienteil fernbedient werden kann.

DAB+ Empfänger als Blackbox
DAB+ Empfänger als Blackbox

Das Produkt heisst digiDAB „Zürich“ und ist keineswegs so billig wie man es sich wünschen würde, verfügt aber über alle nötigen Features: Das DAB Signal kann wahlweise in das Antennenkabel eingeschleift, über einen eingebauten Minisender „over air“ auf einer einstellbaren UKW-Frequenz gesendet oder über einen 3,5 mm Klinkenstecker als Line-In an das Radio übertragen werden. Man kann auch sein Handy per Bluetooth koppeln und das Teil als Freisprechanlage nutzen (ein Mikrofon ist dabei).

Was man dann auch noch braucht ist eine DAB-Antenne. Klar, dass ein Oldtimer-Enthusiast keine Freude an einer angeklebten Scheibenantenne hat (die wäre ansonsten auch beim DAB Empfänger dabei). Vielmehr wünscht man sich, die vorhandene antike Stabantenne auch für DAB weiter nutzen zu können. Dafür gibt es spezielle Geräte, sogenannte „Splitter“, die das Antennensignal aufteilen in analogen Rundfunkempfang und digitale Signale. Die Meinungen über diese Geräte gehen auseinander. Meine Erfahrung ist, dass es halt gute und schlechte Splitter gibt, und die Guten sind dann, wie so oft, die etwas teureren. Da mir für meinen Benz nur das Beste gut genug ist, habe ich einen Splitter mit eingebautem Verstärker der Firma ATTB gekauft, der wohl zu den besten Geräten dieser Art zählt.

Antennen-Splitter in einem silbernen Metallgehäuse
DAB-Splitter und Antennenverstärker von ATTB

Wie man auf dem Foto sieht, verwendet der ATTB-Splitter sog. FAKRA-Anschlüsse. Die Suche nach den einzelnen Adapterkabeln war relativ aufwendig. Irgendwo gab es das auch als Gesamtpaket, also mit allen Adapterkabeln dabei, da hätte ich vermutlich Zeit und Mühe (wenn nicht sogar Geld) gespart – sofern der Anbieter denn in die Schweiz liefert, was ja leider vor allem bei Spezialgeschäften nicht immer der Fall ist.

Beim Auspacken des DAB Empfängers von digiDAB stellte sich heraus, das man das Gerät auf 5 V – Betrieb umgestellt hat. Ein USB-Adapter für Zigarettenanzünder lag ebenfalls bei. Etwas merkwürdig bei einem Gerät, welches „versteckt“ eingebaut werden soll? Also besorgte ich auch noch einen Spannunsgwandler aus dem KFZ-Bereich und lötete den in das Stromkabel für den DAB Empfänger.

Nachdem ich ca. 3 Monate lang Teile gesammelt hatte, ging es schliesslich ans Einbauen.

Benz-MIttelkonsole mit ausgebautem Radio und vielen Kabeln, sowie den zusätzlichen Geräten für die DAB-Aufrüstung
Es wurde doch etwas eng im Radioschacht…

Mit etwas Geduld gelang es mir, die drei zusätzlichen Geräte unter dem Radio unterzubringen. Vor dem finalen Einbau des Radios musste ich aber den DAB-Empfänger einmalig mit dem Bedienteil „pairen“, um die Bluetooth-Verbindung herzustellen. Dazu muss man an der Blackbox so einen winzigen Knopf drücken – doof, wenn man die Bedienungsanleitung erst hinterher liest…

Das Ganze funktioniert ausgezeichnet, der DAB-Empfang ist sehr gut, vergleichbar mit dem in modernen Autos. Mein Becker-Radio wurde mit einem zusätzlichen Line-In Kabel aufgerüstet („MP3-Option“ bei Radio Königs). Der Lautstärkeregler hat einen push/pull-Schalter, mit dem das Gerät auf den Line-In Eingang geschaltet werden kann – sehr komfortabel! Wenn ich das richtig verstanden habe, dann brauchen andere Autoradios, die in der Abdeckkappe des DIN-Steckers eine Brücke haben, im Adapterkabel einen Schalter, da ansonsten bei eingestecktem Kabel immer nur der Line-In Eingang benutzt wird (hatte mal ein ITT Radio aus den 1970ern, da war das so).

Blieb nur noch die Frage, wohin mit dem Bedienteil? Lose in die Ablage? Irgendwie in den Aschenbescher fummeln? Oder den mitgelieferten Halter irgendwo ankleben? Naja, mit dem Kleben ist es so eine Sache. Man weiss nie, ob man den Kleber nach Jahren (oder Jahrzehnten) wieder rückstandsfrei entfernen kann. Der Aschenbecher geht nicht einfach so, da müsste man das ganze Innenleben aus- und umbauen, und am besten auch dem Bedienteil ein anderes Gehäuse spendieren. Ziemlich aufwändig…

Da in der Konsolen-Schalterleiste ein Steckplatz unbenutzt und mit einer Blindkappe abgedeckt ist, habe ich mich entschieden, das Bedienteil dort anzubringen. Da auch die Blindkappen kaum noch zu bekommen sind, muss das Originalteil natürlich geschont werden wegen der Rückbaufähigkeit. Also setzte ich mich hin und konstruierte eine passende Einsteck-Halterung, auf welcher die mitgelieferte Klebe-Halterung angeklebt werden kann. Es hat aber wie üblich mehrere Iterationen mit dem 3D Drucker gebraucht, bis das Teil wie gewünscht passte.

Die originale Blindkappe werde ich natürlich sorgfältig aufbewahren, so dass mit zwei Handgriffen der Originalzustand wiederhergestellt werden kann.

Alles in allem bin ich, wie gesagt, recht zufrieden mit dieser Lösung, die sinngemäss sicher auch für andere Fahrzeuge früherer Epochen angewandt werden kann. Falls einem nicht so viel an dem Originalradio liegt, gibt es aber auch verschiedenen moderne Radios in mehr oder weniger überzeugendem Retro-Stil. In dem Fall beschränkt sich das Prozedere allenfalls nur auf die Auswahl eines passenden DAB-Splitter und natürlich den Anpassungen an der Kabellage.

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5 Gedanken zu “Zurück in die Zukunft: Minimalinvasives DAB+ im Oldtimer”

  1. Kleine Ergänzung: Eine einfache und sehr preisgünstige Variante, ein antikes Radio weiterzuverwenden ist, sich einen Bluetooth-FM-Adapter in den ZIgarettenanzünder zu stecken. Dann koppelt man sein Handy mit dem Adapter und dieser funkt auf einer wählbaren UKW-Frequenz ans Radio was immer man hören möchte. In unserer Region (Schweizer Mittelland) ist die UKW-Senderdichte aber aktuell noch ziemlich hoch, so dass es schwierig werden könnte, eine garantiert immer freie Frequenz zu finden (falls ich mich täusche bitte ich um Aufklärung!)…

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